Ein Bergarbeitersiedlung
aus dem Anfang des 20 Jahrhunderterstrahlt
in neuem Glanz
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Denkmalschutz
Dachsanierung mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad
mikado 11/99
Das
Eindecken geneigter Dächer wird vielfach unterschätzt
- besonders wenn es sich dabei um eine Sanierung handelt. Bei der
Begutachtung werden selbst bei kleinen Dächern mit relativ
geringem Schwierigkeitsgrad eine Vielzahl von gravierenden Mängeln
festgestellt. Besonders schwierig wird es, wenn denkmalgeschützte
Gebäude zur Sanierung anstehen.
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Die
traditionsreiche Bergarbeitersiedlung Stemmersberg in Oberhausen,
bestehend aus ca. 140 Häusern in unterschiedlicher Bauweise,
erbaut ca. 1904 in 2-geschossiger Massivbauweise. Zwei Kriege haben
die meisten der 140, in unterschiedlicher Bauweise errichteten Backsteinhäuser,
mehr oder weniger schadlos überstanden. Doch der Zahn der Zeit
hat deutliche Spuren hinterlassen. Die ca. 35 Grad geneigten Sattel-
und Walmdächer können, soweit nicht bereits die ursprünglichen
Tonziegel- durch eine Beton-dachsteineindeckung ersetzt |
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wurde, ihrer Funktion nur noch bedingt nachkommen. Partiell zerbröseln
die Ziegel, wurden einzelne durch Blei- oder Bitumenbahnenstreifen
ersetzt.
Vieles wurde nach dem Krieg nur notdürftig wieder herrichtet,
einige Spuren von Bombenein-schlägen sind heute noch zu erkennen.
Entsprechend unter-schiedlich war der Zustand der Dächer, die
Art der Ausführungen, z. B. der Gauben, aber auch der Zustand
der Gesamtgebäude, die partiell bei einer Traufenlänge von
17 Metern einen Höhenunterschied von 30 Zentimetern aufwiesen.
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Dies zum Stand im Frühjahr 1997, kurz nachdem eine grosse rheinische
Wohnungsbaugesellschaft 99 Häuser dieser Bergarbeitersiedlung,
mit dem Ziel diese nicht nur zu sanieren, sondern auch den ursprünglichen
Glanz dieser historischen Ansiedlung wieder herzustellen, gekauft
hatte. Bereits kurz nach dem Beginn der Arbeiten entschloss sich die
Bauherrschaft, aufgrund massiver technischer Schwierigkeiten, zur
Lösung der anstehenden Aufgaben einen Sachverständigen im
Rahmen der Baubegleitung / Beratung einzuschalten. |

Die ursprüngliche Dacheindeckung aus Doppelmuldenfalzziegeln
hat z.T. 40 und mehr
Jahre den Einwerkung der Witterung standgehalten.
Hier sieht man deutlich,
dass sich der Ziegel nach
und nach zersetzt.
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Geplant
war es, soweit es das Dach anbelangt, die Dachflächen der 99
zur Sanierung anstehenden Wohnhäuser, bis auf den Dachstuhl
abzureissen, zu dämmen und mit naturroten Muldenfalzziegeln
neu einzudecken. Grundlagen waren, u.a. nicht nur die (allerdings
unzureichende) Ausschreibung und die Einhaltung der Forderungen
der a.a.R.T. (allgemein anerkannten Regeln der Technik), sondern
auch Denkmalschützvorgaben.
Erst im Zuge der Bauausführung erkannte man, dass viele von
aussen nicht erkennbare Mängel und Schädigungen an den
Dachstühlen vorhanden waren. So mussten unebene Dachstühle
(Höhenunterschied bis 30 cm) ausgeglichen, gebrochenen Mittelpfetten
abgefangen sowie verfaulte und von Holzschädlingen zerfressene
Teile des Dachstuhls ausgewechselt werden. Nicht ausreichend befestigte
Teile der Pliesterdecken lösten sich, fielen herab und letztendlich
stellte man an einem Teil der Häuser einen Hausschwammbefall
fest. |
Die Ziegel der ursprunglichen Dacheindeckung
zeigen deutliche Alterungserscheinungen
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Bei
einzelen Dächern war aufgrund des Ausmasses des
Schadens an der Dach-konstruktion über den anstehenden
Winter eine Noteindeckung erforderlich - hier aus Onduline-Bitumen
wellplatten |
Neueingedeckte
Dachfläche mit Doppelmuldenfalzziegeln. Die Art der
Eindeckung sowie verschiedene Details wurden, da diese Siedlung
unter Denkmalschutz gestellt wurde, seitens der Denkmalbehörde
vorgeben. |
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Schritt
für Schritt
Die Arbeiten an den Dächern liefen anfangs fast termingerecht
(alle 14 Tage 6 Dächer fertigstellen) in den folgenden Arbeitsschritten
ab:
- Abrissder
vorhandenen Dacheindeckungen, der Dachrinnen, Fallrohre, der
Verkleidung der Dachgauben etc.
- Montage
der neuen Dachrinne, Fallrohre, etc.
- Verlegen
einer PE-Folie als Dampfsperre auf der Dachseite der Pliesterdecken
und den Sparren
- Einbringen
einer Mineralfaserdämmung, Dicke 12 cm zwischen den Sparren
und auf dem Kehlbalkenlager - Sparrenhöhe 10 - 12 cm
- Verlegen
einer diffusionsoffenen Unterspannbahn
- Aufbringen
einer Konterlattung 24/48 mm (wurde später auf 30/50 mm
geändert)
- Aufbringen
einer Querlattung - Querschnitt 24/48 mm (wurde später
aufgrund des Abstandes der Sparren zum Teil * 80 cm auf einen
Querschnitt 30/50 mm geändert)
- Eindecken
der Dachflächen mit naturroten Doppelmuldenfalzziegeln
- Einbauen
und Eindecken von Dachflächenfenstern, Dachrinnen, Fallrohren,
Antennenpfannen, Leiterhaken, Dachlüftern, Traufenzuluftelementen,
Sanitärlüftern, Anschluss an die vorhandenen Kamine
etc.
- Verschiefern
der Gauben etc.
Ästhetischer
Anspruch kontra Fachtechnik
Die Bauherrschaft, die in eigenen Reihen über ein Team von
Architekten, Ingenieuren und Technikern verfügt, stellt nicht
nur bei dieser Massnahme einen hohen Anspruch an die fachliche Ausführung,
sondern auch an das Erscheinungsbild. |
Die Ziergiebel,
partiell nach Kriegsschäden wieder aufgemauert, zum grössten
Teil aber noch im Originalbild vorhanden, sollten in jedem Fall
erhalten bleiben.
Aus technischen Gründen fiel die Entscheidung gegen die ursprüngliche
Detaillösung, die flächig gedeckten Dachziegel an den
Orten über die Aussenkante der Ziergiebel überstehen
zu lassen und die verbleibende Fuge zwischen Mauerwerk und Ziegel
mit Mörtel zu verstreichen. Da die neue Dacheindeckung stärker
aufträgt, entschied man sich für die Eindeckung mit
Ortgangziegeln.
Diese Entscheidung war, so stellte sich während der Arbeiten
heraus, die einzig richtige, denn um die z.T. starken Unebenheiten
der Dachstühle auszugleichen und die z.T. beschädigten
Sparren abzufangen, mussten Beileger an die Sparren angelascht
werden. Auf diese Weise konnte auch die Sparrenhöhe, welche
trotz einer Minimierung der Dämmstoffdicke auf 10 cm in diesen
Bereichen nicht ausreichte, partiell erhöht werden. Die notwendige
Hinterlüftung der Dacheindeckung konnte so trotz der vorher
bis an die Querlattung aufgequollenen Wärmedämmung erzielt
werden.
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Detail:
Dachgaube
1
First |
5
Konterlatte |
2
Kehlblech |
6
Dachziegel |
3
verlötet |
7
Walzbleianschluss |
4
Sparren |
8
Tragelattung |
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Detaillösung:
AnschlussKamin
1
Silikonfuge |
6
Tyvek Folie |
2
WA-Schiene |
7
PE-Folie |
3
15 cm Walzbleianschluss |
8
Dämmung 100mm |
4
Tragelattung |
9
Spalierlattendecke |
5
Konterlattung |
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Die Minimierung der Wärmedämmung war nach einer erneuten
Berechnung auf der Grundlage des Hüllenverfahrens (A/V) der
Wärmeschutzverordnung, in Verbindung mit einer Erhöhung
der Wärmedämmung im Kehlbalkenlager möglich.
Durch die Aufstockung des Dachstuhls erhöhten sich die Fugen
zwischen der Oberkante des Giebelmauerwerks und der Dacheindeckung,
die teilweise bis zu 10 cm betrugen. Diese wurden durch die 7
cm tiefe vertikale Krempe des Ortganges nicht mehr abgedeckt.
In unterschiedlichen Verfahren, je nach Dimension, wurden diese
Fugen durch das Aufbringen zusätzlicher Mauerziegel und/oder
einer Mörtelschicht wind- und flugschneesicher geschlossen.
Regelgerechte Ausführung
Die Dampfsperr-, wie auch die diffusionsoffene Unterspannbahn
wurden, um eine weitestgehende Winddichtigkeit zu erzielen, auf
das Giebelmauerwerk geführt und um eine mit dem Giebelmauerwerk
verlaufende Latte herumgewickelt.
Durch diese Verwahrung, in Verbindung mit dem Anpressdruck des
Mörtelbetts der Ortgangziegel wurde eine allen Anforderungen
gerechte, fachlich einwandfreie Ausführung dieses Detailpunktes
sichergestellt. |
Die Hinterlüftung
zwischen den Tonziegeln und der diffusionsoffenen Unterspannbahn wurde
durch die eingebauten Lüftungsziegel, die sowohl vor wie auch hinter
den Durchbrüchen, als auch im Traufbereich angeordnet wurden, die
Trockenfirst und im Traufbereich eingebaute Traufenlüftungskämme
und/oder Traufenzuluftelemente erreicht. Durch den Einbau der Traufenlüftungskämme
oder Lüftungselemente wurde auch erreicht, dass die Traufziegel
auf dem Traufblech nicht abkippen.
Eine Änderung des vorgefundenen Erscheinungsbildes, die mit dem
Bauherrn abgestimmt wurde, stellt die Eindeckung mit Tonziegeln vor
den Dachgauben dar. Irgendwann hatte man hier, da die Abmessungen zwischen
Hinterkante Rinne und Vorderkante Dachgaube zwischen ca. 25 und 50 cm
betrugen, eine Zink- und/oder Bleischürze bis zur Traufe angebracht.
Durch eine Neueinteilung der Dacheindeckung war es möglich, eine
Reihe Ziegel, die im Einzelfall vor den Gauben geschnitten und verschraubt
werden mussten, einzudecken.
Vorsicht Falle
Da der Auftrag für die Neueindeckung der Häuser an 2 Bedachungsunternehmen
vergeben wurde, war es nicht verwunderlich, dass es vor Ort zu sichtbar
unterschiedlichen Detaillösungen kam. Eine Grundforderung des Bauherrn
war, dass die vorhandenen Antennenmasten erhalten bleiben sollten und
in die neue Dacheindeckung integriert wurden. Erste Ausführungen
mit einem vor Ort aus Walzblei angefertigten Flansch entsprachen nicht
dem technischen und optischen Anspruch, zumal die Antennenzuleitungen
vielfach an dem das Dach durchdringenden Mast in den Dachraum geführt
wurden. So konnte trotz einer Verwahrung mit einem Klebeband das Wasser
am Antennenmast herunter in den Dachraum laufen. Eine befriedigende
Lösung wurde - wobei diese in Einzelfällen den örtlichen
Verhältnissen angepasst werden musste - mit einer 2-teiligen Antennenpfanne
aus Metall, einer oberseitigen EPDM-Manschette und einer Schlauchschelle
erzielt.
Die
ursprünglich angedachte Verbleiung des Antennendurch-bruchs
brachte nicht den gewün-schten Erfolg. Eine nachträglich
eingesetzte Lösung aus einem zweiteiligen, vorgefertigten
Formteil (Typ Fleck) brachte schliesslich das gewünschte
Ergebnis. |
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Auch
der Dachstuhl, die Unterkonstruktion bot nach dem Abdecken
der vorhandenen Dacheindeckung einige Überraschungen.
Hier ein partiell verkohlter Dachstuhl (vermutlich nach
einem Brand) aber auch Würfelbruch, Trockenfäule
sind an der Holzkonstruktion vorgefunden worden. |
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Auf
die Detaillösungen, Formteile - hier in diesem Fall
ein Sanitärlufter - bestimmen das Bild der von der
Strasse aus gut einsehbaren Dachflächen. |
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Schwierigkeiten machte
auch immer wieder die mangelnde und/oder einseitige Gefällegebung
der Dachrinnen.
Die lt. den Klempnerfachregeln geforderten 2 Promill Neigung der Rinnen
zu den 2 Rinnenstutzen wären zwar technisch machbar gewesen, hätten
aber bedingt durch den ungleichmässigen Schiefstand der Häuser
den Eindruck vermittelt, als wenn diese schief angeschlagen wären.
Es wurde eine Einigung darüber erzielt, dass das Wasser weitestgehend
zügig ablaufen sollte, aber eine optisch ansprechende Lösung
dieser einseitigen Gefällegebung bedarf und es ausreicht, wenn
der 2. Stutzen als Notüberlauf funktioniert.
Auch die Verkleidung der Dachgauben war ein vieldiskutiertes Thema.
Ursprünglich sollten die Wangenflächen mit Bogenschnitt-Schieferschablonen
Abmessung 20 x 29 cm, die Sattel- und Walmflächen der Gauben in
deutscher Deckung mit Bogenschnitt-Schieferschablonen Abmessung 30 cm
x 30 cm verkleidet werden.
Da jedoch die Gaubendachflächen z. T. unterschiedlich bemessen
sind, war sowohl an den Fuss- wie auch den Firstgebinden z. T. der Einsatz
grösserer Formate notwendig. Zur Erhöhung der Regensicherheit
an den Schattenfugen und den Kanten der Dachgauben wurden diese mit
Bleikanten hinterlegt.
Die Diskussion, ob die Verblendungsfläche zwischen den Fensterrahmen
und den Pfosten mit Schiefer oder Zinkblech verkleidet werden sollten,
wurde zugunsten der Zinkblechverkleidung entschieden.
Dies wurde individuell vor Ort gefertigt und den örtlichen Verhältnissen
angepasst. Durch die verdeckte Befestigung bietet sich so dem Mieter
eine pflegeleichte, optisch ansprechende Sichtfläche.
Ein Fehler war es, m.E. die gemauerten Kaminköpfe nicht zu verkleiden,
nicht mit einer Meidinger-Scheibe abzudecken. In meiner beruflichen
Praxis habe ich vielfach erfahren, dass diese, vorrangig bei den heute
eingesetzten Heizungssystemen, aufgrund der geringen Aufheizung nicht
mehr ausreichend austrocknen. Durch die Vermischung des Wassers mit
Abgasrückständen (Schwefel) kann es dauerhaft zu einer Versottung
des Kamins kommen.
Fazit
Ein
Teil der Bergmannssiedlung erstrahlt bereits im neuen Glanz und
kann sich - nicht nur was die Dächer anbelangt - durchaus sehen
lassen. Der Weg dorthin war mit vielen Baubesprechungen, Diskussionen,
Ortsbesichtigungen und z. T. auch Fehlleistungen gepflastert.
Meine Aufgabe bestand nicht nur darin, dem Bauherrn in Sachen
Dach beratend zur Seite zu stehen, sondern auch in Hinsicht auf
die Gesamtbeauftragung zu prüfen, welche |
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Leistungen nicht erforderlich, bzw. welche zusätzlich erforderlich
wurden und welche Details, welche Arbeiten optimiert, minimiert
oder maximiert werden mussten oder konnten.
Dank des gepflegten Dialoges zwischen Bauherren, technischen Beratern
und Ausführenden ist es auch hier wieder gelungen, einem
traditionellen Teil des Ruhrgebietes neuen Glanz zu geben. |
Wenn
Sie mehr, zum Thema Dach Wissen wollen ...... besuchen Sie BFD-Dach-Seminare
!
Jürgen Lech,
Essen
Quellenangabe:
DIN 18338 - Dachdeckungs-
und Dachdichtungsarbeiten Fachregeln für Dachdeckungen mit Dachziegeln
und Dachsteinen herausgegeben vom ZVDH - Zentralverband des Deutschen
Dachdecker-Handwerk - Fachverband Dach, Wand- und Abdichtungstechnik
e.V.
Regeln für Deckungen mit Schiefer, herausgegeben vom ZVDH
Regeln für Metallarbeiten im Dachdeckerhandwerk, herausgegeben
vom ZVDH
Richtlinien für die Ausführung von Metall-Dächern, -Aussenwandbekleidungen
und Bauklempnerarbeiten, herausgegeben vom Zentralverband Sanitär
Heizung Klima
Fotos : Jürgen Lech, Büro für DachTechnik, Essen
Skizzen: Peiniger GmbH, Leverkusen
Literaturhinweis:
"Vorsicht Stolpersteine„
von Jürgen Lech, erschienen in "mikado" Ausgabe 05/99
"Schlanke Konstruktion mit hohem Dämmwert", erschienen
in "mikado" Ausgabe 12/96
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