Licht und Schatten
beim Holz(an)bau


Viele Menschen bauen einmal in ihrem Leben, verwirklichen sich so ihren lang gehegten Traum vom individuellen Wohnen. Nicht selten, so kann ich aus meiner Sachverständigentätigkeit berichten, Traum vom eigenen Heim wie in der nachfolgenden Geschichte beschrieben, von der Erweiterung des eigenen Heims – zum Alptraum. Angefangen von der Idee bis zur Fertigstellung des Baus sind es oftmals viele Instanzen, bedarf es u. U. der Mithilfe eines Architekten sowie eines oder verschiedener Fachingenieure und schließlich dem oder der ausführenden Handwerksbetriebe.

         Jürgen Lech
            Der Dachdeckermeister 05/00



 

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Bei einem kleinen Bauvorhaben in Süddeutschland, der Erweiterung eines ehemals als Wirtschaftsgebäude erbauten, seit vielen Jahren als Wohnhaus genutzten 2-geschossigen Gebäudes durch einen giebelseitigen Anbau - ging einiges schief.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Auf den ersten Blick eine vorzeigbare Leistung - die Mängel stecken Im Detail. Vorderansicht des Anbaus mit der Terrasse, dem dahinter-liegenden Hauptgebäude.



Die Idee

Zur Erweiterung des Wohnbereiches wurde südseitig ein 1-geschossiger Anbau, Grundfläche von 5 x 4 m, in Holzbauweise angebaut. Die Flachdachfläche des Anbaus - erreichbar über das Obergeschoss des Wohnhauses - sowie eine Außentreppe ist als Terrasse nutzbar. Die großen, fassadenseitigen Fenster bewirken, besonders im Frühjahr, durch die Sonneneinstrahlung eine solare Erwärmung des Anbaus und der daran angrenzenden Räume des Wohnhauses. So können Heizkosten gesenkt werden.

Bei der Suche nach einem fachkompetenten Partner - für die Konzeption und Erstellung des Anbaus - fand die Bauherrin einen Zimmererfachbetrieb, dessen Inhaber nicht nur bedingt durch seine handwerkliche, sondern auch seine planerische Qualifikation (Zimmermann & Architekt), das Bauwerk aus einer Hand zu liefern. Gesagt - getan, es Angebotsabgabe sowie zur Auftragsvergabe und schließlich zur Erstellung des Gebäudes. Auf den ersten Blick ein gelungenes Unterfangen.




Einblick in den Innenraum
- architektonisch sauber gelöst
und stilvoll eingerichtet.



Draufsicht auf die Terrasse -
optisch gekonnt gelöst.
Aber wie soll man die darunter liegende
Abdichtung reinigen?
Das auf der Abdichtung stehende Wasser ist ein guter Nährboden für Algen, Insekten u. a.



 

 


Auf den zweiten Blick - die Höhe des Geländers
als "Absturzsicherung" nicht ausreichend. Die Bauabnahme wurde verweigert
.


Die Ausführung
Auf den zweiten Blick stutzte die im erzieherischen Bereich tätige Bauherrin bereits während der Ausführung. Während der Erstellung kam es zu diversen Schwierigkeiten. Es drang, nachdem die Abdichtung der Flachdach-/ Terrassenfläche aufgebracht worden war, Wasser in die Konstruktion und schließlich in den Innenraum ein. Das sichtbar auf der verbretterten Fassade verlegte Rotstrich-Gussrohr entsprach, auch nach einer einmaligen Verlegung, nicht dem Anspruch der Bauherrin. Das sich auf der Terrassenabdichtung sammelnde Wasser stellt nicht nur eine erhöhte Belastung für die Abdichtung dar, es ist auch ein Nährboden für biologische Ablagerungen Ungeziefer, birgt weiterer Durchfeuchtungen in sich.


Die Anschlusshöhe der Terrassen-/Dachabdichtung an die Tür des Haupthauses ist zu gering bemessen. Die Dichtungsbahnen nicht ausreichend verklebt, ein Anschlussprofil nicht vorhanden. Eine geplante Innenentwässerung?? Ein Notüberlauf??




Der Planer bzw. Inhaber des ausführenden Betriebes sah dieses alles nicht als Mangel an, argumentierte z. B. zum stehenden Wasser – das dies die Dachabdichtung schützte.

Die Mängel

Nach Rücksprache mit einem ihr bekannten, örtlich ansässigen Sachverständigen kam es zu einer ersten Besichtigung des Anbaus mit folgenden Ergebnissen:

  • Die umlaufende Umwehrung – die Brüstung als Verlängerung der Fassa de, der Außenwand ca. 78 cm Oberkante Terrassen- bzw. Dachabdichtung geführt, erreichte nicht das notwendige Maß von 90 cm.
  • Das Gleiche galt im Wesentlichen für das Geländer an der Außentreppe, die von OKT
    (Oberkante Terrain) zur Terrasse führte.
    Die baurechtliche Abnahme konnte somit, da ein sicherheits- und baurechtlicher Mangel vorliegt, nicht erfolgen.
  • Der einzige Dachablauf, ohne Notüberlauf (gefordert sind nach Flachdachrichtlinien mindestens 2 Abläufe oder ein Ablauf- und ein Notüberlauf) war nicht ausreichend.
    Die stellt nach Flachdachrichtlinien einen zu rügenden Mangel dar.
  • Außerdem bildete dieser einen Hochpunkt – siehe stehendes Wasser auf der Abdichtung.
    - Der Abstand zum nächsten Bauteil (nach Flachdachrichtlinien mindestens 50 cm) war nicht eingehalten worden, was (siehe stehendes Wasser) eine erhöhte Belastung der Abdichtung und ein Risiko für die Eindichtung darstellt.
    Im Randbereich der Pfützen kommt es durch die unterschiedlichen Aufheizungen innerhalb und außerhalb der Pfütze zu konträren Spannungen in diesem Bereich der Ab-dichtung. Auswirkungen sind u. a. Krakulierungen (feine Rissbildungen) in der Abdichtungsoberfläche.





Optisch wenig ansprechend gelöst
- das Fallrohr




- auch technisch mangelhaft gelöst:
Der Ausschnitt zur Rohrdurchführung
in der Fassade ist zu hoch bemessen

  • Die an die Terrassentür angeschlossene Dachabdichtung hatte nicht die erforderliche Höhe von mindestens 10 cm, eine Minderung ist mit einer Fassadenrinne in diesem Bereich auf 5 cm möglich (die aber auch nicht vorhanden sind). stellt nach Flachdachrichtlinien rügenden Mangel
    dar. Die Gefahr eines Hinterlaufens des Dichtungsanschlusses, ein Überlaufen der Tür schwelle ist gegeben.
  • Die Abdichtung an der Türschwelle ist gemäß Flachdachrichtlinien oberseitig, z. B. mit einem Wandanschlussprofil, fixiert. Eine ausreichende Klebehaftung der Abdichtung an die Türschwelle ist nicht vorhanden, so dass das hier anstauende Wasser ggf. dahinter in das angrenzende Wohnhaus läuft. Ein mehrfacher Verstoß gegen die Flachdachrichtlinien.
  • Das von der Außenseite gesehen links über der Tür austretende Gussfallrohr (SML -Rohr) tritt sichtbar neben dem Sturz der Tür aus der Fassade aus, wurde dann an der Fassade über die Tür herüber und an der Tür herunter geführt. Das mindert das Erscheinungsbild der sonst ansehnlichen Fassade des Anbaus wesentlich.
  • Die Fassadenverbretterung in diesem Bereich (Austritt des Rohres) wurde zu weit ausgespart. Hier kann an der Fassade ablaufendes Wasser eingetrieben werden. Außerdem dringen - dies war vor Ort zu sehen – Insekten, z. B. Wespen in den Zwischenraum zwischen der abgehängten Decke und der Dachdecke ein.
    Ein optischer wie auch technischer Mangel – vorausgesetzt, die Insekten nisten in dem Dach zwischenraum – es kann eine Nutzungseinschränkung daraus hervorgehen.
  • Die auf der Wohnraumdecke verlegte Mineralfaserdämmung war durch die Undichtigkeit des Flachdaches während der Ausführungsphase durchfeuchtet, war ausgewechselt worden.
    Diese kann, bedingt durch die geschlossene, nicht belüftete, welche durch die oberseitige
    Abdichtung - 3 Lagen Bitumenbahnen - das stehende Wasser als dampfdicht anzusehen ist, nur langsam austrocknen. Das eingela- gerte Wasser belastet ggf. schädigt die Konstruktion, es kann zu Fäulnis und einem Pilzbefall kommen.
  • Die gesamte Decken-/Dachkonstruk tion entspricht nicht den Forderun gen der allgemein anerkannten Regeln der Technik, besteht im Wesentlichen aus
  • (von innen nach außen)
  • verleimten Hartfaserplatten
  • Wärmedämmung darauf verlegt - nach Angabe Dicke ca. 100 mm
  • Luftraum
  • Holzschalung
  • bituminöse Abdichtung
  • Terrassenoberfläche
    Diese Konstruktion entspricht nicht den Forderungen einer nicht durchlüfteten wie auch nicht einer durchlüfteten Dachkonstruktion - müsste sich einen Wärmedämmung oberhalb der tragenden Dachschalung befinden, so dass der Taupunkt sich oberhalb der feuchte-empfindlichen Holzkonstruktion befindet.

    Für eine durchlüftete Dachkonstruk tion, der diese 2-schalige Konstruktion am ehesten entspricht, müsste eine Be- und Entlüftung des Luftraumes, z. B. durch fassadenseitige Öffnungen und/ oder durch Lüfter in der Dachoberfläche (die hier nutzungs-einschränkend wären) in einem ausreichenden Maß vorhanden sein.

    Nur so könnte eine nach DIN 4108 (Wärmeschutz im Hochbau) und den Flachdachrichtlinien geforderte Tauwasserbegrenzung, -freiheit der Konstruktions gesichert werden. Nach meinen baupraktischen Erfahrungen und Erkenntnissen ist hier mit einer erhöhten Tauwasserbildlng in der Holzkonstruktion und mit einer Schädigung derselben auf Dauer zu rechnen. Dies wird durch die verbleibende, durchfeuchtete Wärmedämmung begünstigt.

    Eine Vielzahl an, auf der Grundlage der allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.T.), daz gehören die DIN 4108, wie auch die Flachdachrichtlinien zu rügender Verstöße, aus der sich das Recht der Verweigerung der rechtsgültigen Abnahme aus meiner Sicht ableiten lässt.


 

Der Kunde als Gegner?

Über den weiteren Verlauf unterrichtete mich die Bauherrin, da meine Aufgabe der Dokumentation, technischen Beurteilung der Sachverhalte abgeschlossen war.

Nachdem dem Unternehmer mein Mangelbericht mit der Bitte um Stellungnahme übermittelt worden war, passierte erst einmal eine Zeit lang nichts. Dann meldete sich der Unternehmer telefonisch, zeigte im Gespräch wenig Interesse, die Mängel zu beseitigen.

Schliesslich und ohne Vorankündigung, ohne Absprache mit der Bauherrin wurde das Geländer gegen ein ausreichend hohes Geländer ausgetauscht, was das Unfallrisiko in diesem Bereich senkte.

In einem weiteren Gespräch mit der Bauherrin äusserte sich der Unternehmer sehr barsch und lautstark, dass er kein Interesse habe, diese Mängel zu beseitigen, dass er zu einem (für die Beseitigung der Mängel unzureichenden) Preisnachlass bereit wäre.

Argumente für diese Vorgehensweise waren, dass er damit genervt sei, er anderes zu tun habe. Zur Mangelbeseitigung wäre zuerst eine genaue Analyse des Vorhandenen, z.B. durch einen neutralen Sachverständigen, notwendig.
Soweit erkennbar wären die folgenden Schritte/Leistungen erforderlich:

  • Eine genaue Untersuchungen des Dachaufbaus mit dem Ziel, den Fragestellungen:
  • Kann eine ausreichende Lüftung des Daches hergestellt werden?
  • Lässt der Feuchtegehalt der Wärmedämmung eine "Austrocknung" zu?
  • Ist die aufgebrachte Abdichtung "voll funktionsfähig" (oder dichtet nur die Oberlage)?
  • Und anderes mehr.

Zur Prüfung des konstruktiven Dachaufbaus, des Zustandes der Wärmedämmung und schliesslich - falls notwendig - wäre eine Öffnung, ggf. das Entfernen der oberen oder der unteren Schale des Daches notwendig.




Beim nähren Hinsehen ist die Arbeit...
Innen wie...





...auch Aussen überarbeitungsbedürftig.
Aber wer schaut schon so genau hin??



Mit einem Austausch der oberen Schale wäre es ggf. möglich, konstruktiv ein Gefälle in der oberen Dachschale wie auch eine ausreichende Anschlusshöhe an die Tür, die anderen Anschlüsse herzustellen.

Dies bedingt umfangreiche Massnahmen, verbunden mit entsprechenden Kosten.

 

Der (teure) Weg des Rechts

Da zwischen den Parteien, was die Minderung des Wertes des Anbaus angeht, keine Einigung erzielt werden konnte, schaltete die Bauherrin einen Rechtsanwalt ein, verklagte, da sie die gesamte Auftragssumme bereits gezahlt hatte, den Auftragnehmer.

Nach einem rechtlichen Geplänkel zwischen dem Anwalt der Bauherrin und des Unternehmers wurde schliesslich beim zuständigen Landgericht ein Urteil zu Gunsten der Bauherrin gefällt, was aus meiner sachverständigen Sichtweise gut nachvollziehbar ist, gerecht erscheint.

Die vielfältigen Regelverstösse, Verstösse gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik, die Forderungen des

§ 633 BGB, „ dass die zu erbringende Leistung die ihr zugedachte Funktion erfüllen muss„

und schliesslich der gesunde Menschenverstand, der uns sagt, dassdie hier aufgeführten Mängel die Nutzungsdauer des Gebäudes, den Wert wesentlich schmälern, zeigen, dass dieses Urteil durchaus nachvollziehbar ist.

Bedauerlich ist es, dass trotz der verbrieften Fachkompetenz des Unternehmers er die Chance vertan hat, auf:

  • Eine gütliche Einigung zwischen den Parteien
  • Eine wirtschaftliche Lösung zu erzielen (nun trägt er auch noch die Gerichts- und Anwaltskosten)
  • Den Kunden durch eine positive Reklamationsbearbeitung an sich zu binden und somit eine Referenz zu schaffen
  • Aus der ganzen Sache zu lernen.
Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt,

aber noch ist es ja nicht zu spät.


 
 
Fazit:

Alles aus einer Hand, eine Kundenforderung die immer lauter wird.
Dies darf aber nicht zu einer Minderung der Fachkompetenz, zu einer Minderung der Qualität, sondern kann, z.B. durch Auswahl der richtigen Partnerunternehmen, zu einer Erhöhung desselben führen.

Kompetenz bündeln, z.B. durch die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft, ein eingespieltes Team. Das kann, so habe ich es an mehreren Objekten beobachten können, die Wirtschaftlichkeit der Baumassnahme erhöhen, dass Reklamationsrisiko mindern und ein Verkaufsargument sein, nach dem Motto "Sie bezahlen die Fachkompetenz eines Fachunternehmens und erhalten dafür die mehrerer".

Es würde mich freuen, wenn Sie aus dieser Geschichte das eine oder andere lernen konnten.

Ich stehe Ihnen für Fragen, Kritik und Lob gerne zur Verfügung.



Quellenangabe
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB
DIN 4108 - Wärmeschutz im Hochbau
DIN 1052-1 – Holzbauwerke; Berechnungen und Ausführungen
DIN 18531 - Dachabdichtungen
VOB/B - DIN 18338 - Dachdeckungs- und Dachdichtungsarbeiten Richtlinien für die Planung und Ausführung von Dächern mit Abdichtungen - Flachdachrichtlinien


Literaturhinweis
Achtung, noch mehr Stolpersteine, erschienen in "mikado", WEKA-Baufachverlag, Augsburg, Ausgabe 10/99
Für immer dicht - das Flachdach ein (un-)-kalkulierbares Risiko?, erschienen in "Der Dachdeckermeister", Ausgabe 10/98


Fotos
Jürgen Lech, Büro für DachTechnik, Essen, Esslingen und Coswig (Sachsen)





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