Deutschland
das Land der Bürokratie, der Gesetze und Verordnungen, der Normen
und Regelwerke hat eine (neue) Verordnung, die für jeden am Bau
tätigen, besonders aber den Bauherren als Adressaten der Baustellenverordnung
immens wichtig ist.
Wurden Vergehen gegen andere Verordnung wie z.B. die Wärmeschutzverordnung
als Ordnungswidrigkeit angesehen, so kann ein Vergehen gegen die
Baustellenverordnung – kommt es zu einem Personenschaden – strafrechtlich
verfolgt werden.
Was ist die Baustellenverordnung?
Die
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (Baustellenverordnung
– BaustellV vom 10. Juni 1998) dient im wesentlichen der Verbesserung
von Sicherheit- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten auf Baustellen
(siehe § 1 der BaustellV). Sie basiert auf der Baustellenrichtlinie
92/57/EWG, die als europäisches Recht in allen EU-Mitgliedsstaaten
gilt.
Ihr Ziel ist es, die Zahl der Unfälle, die in der Bauwirtschaft ca.
dreimal so hoch ist wie in sonstigen Bereichen, zu senken, das Gefährdungspotential,
welches auf Baustellen besonders hoch ist, zu minimieren.
Adressat der Baustellenverordnung ist der Bauherr, der als Auftraggeber
der Bauarbeiten nicht nur über alle Arbeiten informiert sein sollte,
sondern auch Einfluss nehmen kann, welche Auftragnehmer mit welchen
(Sicherheits) Leistungen beauftragt werden. Der Bauherr ist nach Baustellenverordnung
für die Koordinierung und die Einhaltung der Sicherheits-und Gesundheitsschutzmassnahmen
(siehe § 3 der BaustellV) verantwortlich und hat im wesentlichen:
- Die
vorgesehenen Massnahmen zu koordinieren
- Den
Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan auszuarbeiten (soweit erforderlich)
-
Die Anwendung der allgemeinen Grundsätze nach § 4 des Arbeitsschutzgesetzes
zu koordinieren
-
Die Zusammenarbeit der Arbeitgeber (Auftragnehmer) zu organisieren
-
Und anderes mehr
Er
kann diese Pflichten auch einem qualifizierten Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator
(SiGeKo) übertragen.
Wann und wo ist die BaustellV zu beachten?
Nein, nicht nur bei Grossbaustellen. Je nach
Art der Arbeiten, z.B. wenn es sich um gefährliche
Arbeiten handelt, wenn mehr als ein Unternehmen an der Baustelle tätig
ist (dies kann auch in Reihenfolge, z.B. Gerüstbau und Dachdecker
der Fall sein), ist eine Planung und Koordination der Sicherheits-
und Gesundheitsschutzmassnahmen erforderlich.
Die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination umfasst im
wesentlichen folgende Massnahmen:Beeinflussung
der Ausschreibung (sind die Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen
alle berücksichtigt? Wo können Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen
durch mehrere Firmen ggf. gemeinsam genutzt werden?
Aufzeigen von Einsparungspotential und sicherheitstechnischen
Lücken):
-
Erstellen eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans.
-
Anmeldung der Baustelle bei der zuständigen aufsichtführenden
Stelle (z.B. Amt für Arbeitsschutz).
-
Koordination und Überwachung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen
durch den SiGeKo während der Ausführung.
Selbstverständlich kann der Bauherr diese Aufgaben selbst übernehmen
und/oder z.B. teilweise an einen geeigneten SiGeKo übergeben.
Unzulässig ist die pauschale Vergabe, z.B. im Rahmen von Vorbemerkungen
an den Auftragnehmer. Dies kann unter Umständen auch recht teuer
für den Bauherrn werden, wenn:
-
Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen nicht ausreichend
eingehalten werden, es zu einem Personenschaden kommt – kann
der Bauherr strafrechtlich belangt werden.
-
Ihm während des Baugeschehens eine Vielzahl von Nachträgen für
(erforderliche) Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen
präsentiert werden.
-
Sich durch Unfälle, Kontrollen seitens der Aufsichtsbehörden
– Baustillstand – die Arbeiten nicht mehr termingerecht ausführen
lassen.
-
Bussgelder wegen eines Verstosses gegen die UVV-Bauarbeiten und
eine Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen
(gemäss §§ 710, 717a RVO, 130 OwiG) auferlegt werden können.
Was
ist zu berücksichtigen
Schaubild – Planen eines Bauwerks unter
Berücksichtigung der Baustellenverordnung (Anlage I)
Der Weg – die Aufgaben
Auf der Grundlage der Baustellenverordnung
sollte/kann wie folgt vorgegangen werden: Während der Planungsphase
Die
Gefährdungsanalyse
- 1.
Gefährdung erkennen
-
2. Gefährdung bewerten
-
3. Gefährdung beseitigen
Während der Ausführungsphase
-
3. Gefährdung beseitigen
-
4. Massnahmenwirkung kontrollieren
Dabei
ist es während der Ausführung der Arbeiten, z.B. durch eine Veränderung
der Arbeiten, der sich daraus ergebenden, veränderten Gefährdungen
immer wieder notwendig, die Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen
sowie auch den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan, den aktuellen
Arbeiten und Gefährdungen anzupassen.
Besonders zu berücksichtigen sind gefährliche Arbeiten im Sinne
der Baustellenverordnung. Diese sind (Auszug aus der BaustellenV):
-
Arbeiten bei denen die Beschäftigten der Gefahr des Versinkens,
des verschüttet werdens in Baugruben oder in Gräben mit einer
Tiefe von mehr als 5 m oder des Absturzes aus einer Höhe von
mehr als 7 m *1) ausgesetzt
sind.
-
Arbeiten bei denen die Beschäftigten explosionsgefährlichen,
hochentzündlichen, krebserzeugenden (Kategorie I oder II), erbgutverändernden,
fortpflanzungsgefährdenden oder sehr giftigen Stoffen und Zubereitungen
im Sinne der Gefahrstoffverordnung oder biologischen Arbeitsstoffen
der Risikogruppe III + IV im Sinne der Richtlinien 90/679/EBG
des Rates vom 26.11.1990 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen
Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (ABI.EG
Nr. L374S.1) ausgesetzt sind *2).
-
Aufbau oder Abbau von Massivbauelementen mit mehr als 10 t Einzelgewicht
-
Und andere
*1)
Kommentar: Dies ist bei fast jedem grösseren Einfamilienhaus gegeben.
*2) Kommentar: Besonders bei dem Aufbringen von entzündlichen Klebern,
lösungsmittelhaltigen Beschichtungen u. ä. zu beachten, z.B. bei
Flachdachinstandsetzungsarbeiten.
Aufgaben des Sicherheits- und Gesundheitskoordinators
– SiGeKo
Die Massnahmen gemäss § 2 und § 3, Absatz
1.1 der Baustellenverordnung hat der Bauherr zu treffen. Es sein
denn, er beauftragt einen Dritten, diese Massnahmen in seiner Verantwortung
zu treffen.
Dies umfasst in der Ausführung/Planung nach der Baustellenverordnung
folgende Tätigkeiten:
-
Die Beachtung der allgemeinen Grundsätze nach § 4 des Arbeitsschutzgesetzes.
-
Die Übermittlung der Vorankündigung.
-
Die Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes.
-
Die Bestellung eines oder mehrerer Koordinatoren.
Der
SiGeKo und seine Aufgaben
- Analyse
der Vorplanung (Entwurfsplanung, etc.).
-
Analyse der Baustellenplanung.
-
Beratung des Architekten/des Bauherrn auf der Grundlage der
sicherheitstechnischen Aspekte.
-
Erstellen des SiGe-Plan (soweit notwendig).
-
Erstellen einer Baustellenordnung (Beratung).
-
Anpassen des SiGe-Plan aufgrund von baulichen Veränderungen.
-
Mitwirken bei sicherheitstechnischen Überlegungen.
-
Hinwirken auf das Festlegen von Meldepflichten.
-
Beraten hinsichtlich der Terminplanung – Bauzeitenplanung.
-
Mitwirken bei der Prüfung von Angeboten mit den Belangen der
Arbeitssicherheit und des Gesundheitschutz.
-
Beraten bei der Planung bleibender sicherheitstechnischer Wartungseinrichtungen.
-
Zusammenstellung der Unterlagen mit allen Merkmalen des Bauwerks
für eine sichere Durchführung von Instandsetzungsarbeiten.
-
Einweisung weiterer SiGeKo für die Ausführungsphase einschl.
der Übergabe aller vorliegenden Papiere.
Der
SiGeKo und der Bauherr
Die Bestellung des SiGeKo muss frühzeitig,
sollte bereits in der Entwurfsphase erfolgen. So hat der SiGeKo
die Möglichkeit, auf sicherheitsrelevante Aspekte bei der Planung
des Bauwerks hinzuweisen, Arbeiten noch vor dem Ablauf zu koordinieren,
so dass vorhandene Sicherheitseinrichtungen ggf. von mehreren
Firmen nacheinander oder gleichzeitig genutzt werden können.
So ist eine wirtschaftliche Ausführung möglich.
Der vom Bauherrn zu beauftragende SiGeKo ist Erfüllungsgehilfe
des Bauherrn, wobei der Bauherr im Rahmen seiner Organisationsverantwortung
dem Koordinator Aufgaben zuzuweisen und ihm Befugnisse in Übereinstimmung
mit den wahrzunehmenden Aufgaben zu übertragen hat. Verantwortlich
für die Massnahmen, die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften
bleibt letztendlich der Bauherr.
Auch bei der Auswahl des SiGeKo sollte der Bauherr auf die fachliche
Qualifikation desselben achten. Hat er sich entschieden einen
Koordinator einzusetzen der fachlich nicht geeignet ist, haftet
der Bauherr selbst für ggf. auftretende Mängel.
Pflichten der Arbeitgeber
(gemäss § 5 der Baustellenverordnung)
Die Arbeitgeber haben bei der Ausführung
der Arbeiten die erforderlichen Massnahmen des Arbeitsschutzes
insbesondere in bezug auf die
-
Instandhaltung der Arbeitsmittel,
-
Vorkehrungen zur Lagerung und Entsorgung der Arbeitsstoffe und
Abfälle, insbesondere der Gefahrstoffe,
-
Anpassung der Ausführungszeiten für die Arbeiten unter Berücksichtigung
der Gegebenheiten auf der Baustelle,
-
Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Unternehmern ohne Beschäftigte,
-
Wechselwirkung zwischen den Arbeiten auf der Baustelle und andere
betriebliche Tätigkeiten auf dem Gelände, auf dem oder in dessen
Nähe die erstgenannten Arbeiten ausgeführt werden zu treffen,
sowie die Hinweise des Koordinators und den Sicherheits- und
Gesundheitsschutzplan zu berücksichtigen.
Theorie
und Praxis
Obwohl
die Baustellenverordnung seit 1998 in der Bundesrepublik geltendes
Recht ist, wird diese – so kann ich aufgrund meiner praktischen
Erfahrungen sagen – nur bei wenigen, in der Regel Grossobjekten,
mehr oder weniger ausreichend beachtet, fliesst in die Koordination
der Arbeiten, der Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen ein.
Bei vielen kleineren Baustellen, so z.B. Dachinstandsetzungsarbeiten,
Modernisierungsarbeiten werden diese Forderungen nicht oder nur
zum Teil beachtet.
In Gesprächen mit Auftragnehmern, Planern, Bauherren konnte ich
feststellen, dass die Baustellenverordnung, deren Forderungen und
Auswirkungen vielfach nicht bekannt ist. Wobei auch hier das alte
Sprichwort gilt: „...Unwissenheit schützt vor Schaden nicht.„
Quellenangabe:
-
Die deutsche Baustellenverordnung Verordnung über Sicherheit- und
Gesundheitsschutz auf Baustellen (Baustellenverord nung – BaustellV
vom 10.Juni 1998 (BGBI. I S. 1283)
- Unfallverhütungsvorschriften Bauarbeiten (UVV-Bau)
- Bausteine (Nachschlagewerk), Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft
der Bau-Berufsgenossenschaften, Frankfurt/M.
- Der Sicherheitskoordinator – Handbuch für Baupraktiker und Bauherren
von Prof. Dr. Ing. Constantin Kinias und Dipl.-Ing. Haucke Tim –
erschienen im C.F. Müller Verlag (Hüthig GmbH, Heidelberg)
- SiGe-Plan – Leitfaden zur Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes
– herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der Bauberufsgenossenschaften,
Frankfurt am Main, Tiefbauberufsgenossenschaft München
- Sonstige Unterlagen : Autor
Literaturhinweise:
-
"UVV-Massnahmen statt Abstürzen"– erschienen im DDH 24/96,
Rudolf Müller Verlag, Köln
- "Mit Sicherheit nicht abwärts"– erschienen im DDH 23/93,
Rudolf Müller Verlag, Köln
Literatur:
"Der
richtige Weg zur Dachbegrünung" erschienen in Bausanierung
05/94, Bertelsmann Fachzeitschriften GmbH, Gütersloh
"Kleinode der Abdichtungskunst" - von Jürgen Lech, erschienen
in dbz 12/99, Bertelsmann Fachzeitschriften GmbH, Gütersloh
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